Heiße Bildbände für die ersten Herbsttage

Die letzten warmen Tage des Sommers stehen uns bevor, dann steht bald schon wieder der Herbst vor der Tür – genau die richtige Zeit, sich genussvoll auf die Couch zu kuscheln und sich die neusten Druckerzeugnisse anzusehen. Drei besondere Exemplare möchten wir euch dabei für den Start in den Herbst besonders ans Herz legen. Eine echte Erfolgsstory sind die wunderschönen Fotobuch-Bände der Reihe „Nothing to Hide – Young Men from Slovakia“ von Phil Dlab. Der begabte Fotograf wurde in der Slowakei geboren und wuchs in Kanada auf. 2010 ging es zurück nach Europa und in die alte Heimat. Im Sommer 2018 begann er, Freunde und Freunde von Freunden zu fotografieren und zeigte dabei von den ersten Aufnahmen an einen äußert begabten Blick für magische Momente und stille Augenblicke, die ein Knistern und eine tiefe, homoerotische Hingabe offenbaren. So wurde aus der privaten Berufung schnell ein Beruf, zuerst online, dann auch im Print: 2020 erschien der erste Bildband, 2022 folgte Teil 2. Nun hat Dlab den dritten Band vorgelegt, der uns wie seine Vorgänger betört – wir freuen uns schon auf weitere Werke des Slowaken und hoffen, er hat noch viele Freunde und Freunde von Freunden, die er so begabt und einzigartig in Szene setzen kann.

Ebenso ein Serientäter ist der junge Kreative Daniels Harders. Bereits sein Debüt „Reverse Intimacy“ zeigte sein besonderes Gespür für Bilder, die viel mehr sind als die Massenware, die uns inflationär online begegnet. Hier ist Erotik tatsächlich hautnah, direkt dran am Betrachter, analog, im besten Sinne intim und besonders. Seine Bilder erzählen von Begehren, von Sex und den seltsam stummen Räumen dazwischen. Dabei wird die selbsternannte Regenbogenhauptstadt Berlin zum Sehnsuchtsort schlechthin und Harders unversehens zum Chronisten jenes schwulen Berlins, diesem einzigartigen Kosmos, der homosexuelle Männer bis heute aus der ganzen Welt in die Stadt zieht. Nun ist bei Salzgeber sein zweiter Band erschienen: „Form The Heart of Berlin“. Noch mehr, noch intensiver taucht Harders dabei in die Stadt ein und präsentiert uns männliche Körper jenseits aller Klischees. Nicht nur die Körperpartien lassen uns mehr als einmal hinsehen, es sind diese Gesichter jener Männer, die sich tief in uns eingraben, als würden sie uns ein erotisches Geheimnis zuflüstern, das nur für uns bestimmt ist. Die Schwarz-Weiß-Fotografien zeigen flüchtige Begegnungen und neue Freundschaften, entstanden um die Jahrtausendwende herum. Gibt es diese Männer auch heute noch? Mit Sicherheit, wir müssen nur offen dafür sein und uns wie Harders diesen Blick bewahren für diese verletzlichen, schüchternen und schönen Körper. Harders Arbeiten sind Fotokunst jenseits des Offensichtlichen, jenseits der Oberfläche, jenseits des Ohrenbetäubenden. Ihm gelingt einmal mehr eine Mischung aus Melancholie und Sehnsucht und endlich verstehen wir, dass das vermeintlich Unvollkommene vollkommen ist, mehr noch, es ist begehrenswert und schön, denn ist echt, es lebt. Wir verlieben uns darin – so wie Harders selbst sich „schockverliebt“ hat in diese Stadt, die er 1998 erstmals besuchte. Im Grunde sind seine zwei Werke so nichts weniger als eine Liebeserklärung, der wir ganz intim beiwohnen dürfen.

Und damit kommen wir bereits zum dritten „Triebtäter“ – und wir sind sehr dankbar, dass der Londoner Ed Firth nicht nur höchst packend in die Welt unserer schwulen Triebe eintaucht, sondern dabei auch viel zu erzählen hat. „Horny & High Vol. 1“ begeisterte Comic-Meister Ralf König so sehr, dass dieser staunend im Vorwort schreibt: „Der Mann ist durch und durch Künstler, beseelt durch seine Arbeit.“ Wir geben dem großen König natürlich recht. Liebeskummer, Cruising-Modus, Poppers-Rausch oder der Kater am Tag danach – wenn Comic-Künstler Ed Firth den Stift zückt, werden all diese Stimmungen spürbar. In seinen farbintensiven Comic-Tableaus konfrontiert Firth uns mit – wie er es selbst ausdrückt – „all den hässlichen, verführerischen, faszinierenden Wahrheiten schwuler Männer“. Es ist ein Sog, dem wir nicht entfliehen können, wir tauchen immer tiefer in eine schwule Großstadtgegenwart zwischen rastlosen Hedonismus, Dating-Apps, Sexpartys und den Entfremdungsmomenten ein, die sie mit sich bringen. Da wird die Nachtbusfahrt nach einem durchfeierten Abend zur melancholischen Erinnerungsreise durch die Untiefen einer verflossenen Beziehung, die fiebrige Spannung eines Abstechers in den Cruising-Park zur Konfrontation mit den eigenen Abgründen, der „Chillout“ auf einer privaten Orgie erstickt im Dunst von Joints, Poppers und abgestandener Lust. Ein kurzum großartiger Balanceakt zwischen Authentizität und Selbstentblößung. Und so stimmen wir auch zum Schluss erneut König zu, wenn er sagt: „Ich bin Ed Firth-Fan.“ Auf sieben Bände ist die Reihe angelegt, Teil 2 ist schon unterwegs.

Nothing to Hide 3

von Phil Dlab
Hardcover, 176 Seiten

From the Heart of Berlin

von Daniel Harders
Hardcover, 128 Seiten

Reverse Intimacy

von Daniel Harders
226 Seiten

Horny & High Vol. 1

von Ed Firth Mit einem Vorwort von Ralf König
Broschur, 56 Seiten